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Dienstag, 6. November 2012

Das Mittelmaß ist stets in Höchstform – von wem? Maugham, Beerbohm, Giraudoux, Paisset, Oscar Wilde oder Jean Todt?


Es ist ein Kreuz mit den Zitaten. Da wollte ich nur dieses Zitat von William Somerset Maugham einstellen:
Nur ein mittelmäßiger Literat ist immer in Höchstform,

Only a mediocre writer is always at his best,

Seul un écrivain médiocre est toujours à son meilleur niveau (auch Seuls les médiocres peuvent toujours donner le meilleur d'eux-mêmes und Seuls les médiocres sont toujours présents)

(In The Portable Dorothy Parker. Viking Press 1944; zitiert nach The Yale Book of Quotations. Yale University Press, 2006, S. 502),
und stellte fest, dass Max Beerbohm in der Saturday Review vom 5. 11. 1904 bereits etwas ähnliches gesagt hatte:
Nur dem Mittelmaß kann man vertrauen, dass es stets in Höchstform ist. Das Genie muss im Verhältnis zu seinem Erfolg immer verfallen.

Only mediocrity can be trusted to be always at its best. Genius must always have lapses proportionate to its triumphs.

(Zitiert nach The Yale Book of Quotations. Yale University Press 2006, S. 50; die Originalausgabe der Saturday Review ist noch nicht digitalisiert).
Okay, da hat der gute Maugham sich von Beerbohm inspirieren lassen. Beim weiteren Nachforschen fragte ich mich jedoch: Bei wem eigentlich? Denn Jean Giraudoux soll laut Wikiquote gesagt haben:
Seuls les médiocres sont toujours leur meilleur.

Only the mediocre are always at their best (auch The only people who are always at their best are invariably mediocre).
Nur dass die sonst so korrekte Wikiquote das Zitat als belegt betrachtet und als Quellennachweis angibt: „As quoted in The Beauty Principal (1984) by Victoria Principal, p. 117“, was eben kein Beleg ist.

Und so ärgerte ich mich mal wieder, dass ich im Französisch-Unterricht nicht richtig aufgepasst hatte, und versuchte mit Hilfe von Google-Übersetzer, das Originalzitat von Giraudoux samt Quellenangabe zu finden. Beides fand ich nicht. Dafür aber eine Version von Jean Todt (natürlich auch ohne Quelle – *Achtung OT* wäre ja auch ein Wunder, wenn irgendjemand mal korrekt zitieren würde. Sorry, aber langsam werde ich echt sauer. Wieviel Mühe und Zeit könnte ich mir sparen; ich könne Verlorene Liebe und Mitten im Leben gucken zum Beispiel, andererseits gäbe es dann dieses Blog nicht, und der macht mir sehr viel Spaß … *OT aus*):
Seuls les médiocres atteignent leur maximum (auch Seuls les médiocres n'y arrivent pas).
Ich fand auch noch die Version Seuls les médiocres sont à 100% mit der Urheberangabe Saisset. Ob damit Émile Saisset, Bernard Saisset oder ein ganz anderer Saisset gemeint ist, konnte ich nicht feststellen.

Da Maugham von 1874 bis 1965 lebte und Beerbohm von 1872 bis 1956, dieser aber seine weisen Worte bereits 1904 veröffentlicht hatte und Maugham erst 1944, ist anzunehmen, dass das Ursprungszitat von Beerbohm stammt. Giraudoux lebte zwar etwa um die gleiche Zeit (1882–1944), aber da es keine Quelle gibt, ist es so gut wie ausgeschlossen, dass er der Urheber ist. Ebenso bei der Verfasserangabe „Paisset“, aus der nicht hervorgeht, welcher Paisset damit gemeint ist. Jean Todt, der 1946 geboren wurde, ist es definitiv nicht.

(Siehe dazu auch http://harvardmagazine.com/2007/03/chapter-verse.html, May–June 2007, und http://cojcr.org/vol9no1/1-90.pdf)

Schließlich fand ich hier noch einen Ausspruch von Oscar Wilde:
Seuls les médiocres progressent
(in La Poésie des Socialistes; Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus; The Soul of Man under Socialism), aber weder im Englischen noch im Deutschen die entsprechende Übersetzung. Ich fand nur
Jeder Erfolg, den man erzielt, schafft uns einen Feind. Man muß mittelmäßig sein, wenn man beliebt sein will (auch Um populär zu bleiben, muß man mittelmäßig sein),

Every effect that one produces gives one an enemy. To be popular one must be a mediocrity,

Chaque fois qu’on produit un effet, on se donne un ennemi. Il faut rester médiocre pour être populaire,
doch dieses Zitat ist aus dem Bildnis des Dorian Gray (The Picture of Dorian Gray; Le portrait de Dorian Gray) S. 410 und hat mit dem Zitat, um das es hier geht, wohl nichts zu tun.

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