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Mittwoch, 13. April 2011

Von Läusen, die über die Leber laufen


„Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen“ oder „Na dir ist aber eine Laus über die Leber gelaufen“, sagen wir, wenn jemand schlechte Laune hat oder unwirsch reagiert. Aber woher kommt dieser Spruch oder ist es ein Zitat und kommt er sogar aus der Antike?

Der Spruch ist offensichtlich ein Sprichwort. So steht im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm:
die leber, als die bereitungsstätte des blutes, dachte sich das alterthum als sitz von trieben, die mit dem blute zusammenhängen; und diese vorstellungen kamen bis auf uns. So … des zornes oder unmutes, welche die leber drücken: … die neigung für allitterierende verbindungen hat die laus als das überlaufende hingestellt: die laus läuft über die leber“. (Bd. 12, Sp. 460 bis 462)
Zum ersten Mal belegt ist das Sprichwort in Die geistliche Spinnerin nach dem Exempel der h. Elisabeth, wie sie an einer geistlichen Kunkel Flachs und Wolle gesponnen hat des süddeutscher Predigers Johannes Geiler von Keisersberg (1445–1510): „und wenn dir ain laus über die leber ist gelaufen, das du allwegen den beichtvater damit (mit dem bücherlesen) betriebest, mach dir selbs ain buch in deinem kopf“. Es gibt noch mehr Belege, so „ein zwerch, so ganz kurzweilig, aber doch darbei, so bald ein lausz ihm über die leber gelaufen, ganz zornig und rachgirig“ im Wißbadisch Wisenbrünlein, Das ist, Hundert schöne kurtzweilige, zum theil new, zum theil aber auß etlichen Lateinischen vnd Teutschen Scribenten zusammen gelesene vnd verdeutschte Historien, aber das Buch erschien später, nämlich 1610 bei Bassaeus in Frankfurt.

In Adelungs Grammatisch-kritischem Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart heißt es „Die Laus läuft ihm über die Leber, heißt es von einem, der leicht unwillig wird, wofür Kaisersberg sagt, das Würmlein ist ihm bald in die Nase geloffen.“ Damit meint er Keisersberg, aber dafür habe ich keinen Beleg gefunden. Und in Hinterpommern gibt es den Spruch „Die is wo ain Luus oiwe d' Läwe lope (Robert Laude: Hinterpommersches Wörterbuch: des Persantegebietes. Böhlau 1995, S. 230)

Bleibt die Frage: Wieso läuft eine Laus über die Leber?

Johann Leonhard Frisch schreibt in seinem Teutsch-lateinischen Wörter-Buch:
Es ist ihm die Laus über die Leber gelaufen, das ist, er wird, böse, und weiß keine närrische Ursache anzugeben. … Es sind Leute die bald zornig werden, und bald in den Harnisch sind, das Würmlein ist ihnen bald in die Nase geloffen. Man heißt die Läuse auch Würmer, in die Nase kriechen ist eben so als über die Leber kriechen, keines pflegen die Läuse zu thun …“ (Nicolai 1741, S. 588)*
Das beruht auf dem germanischen Volksglauben, in dem man für Krankheiten, deren Ursache man sich nicht erklären konnte, Krankheitsdämonen verantwortlich machte. Meist blieben sie unsichtbar. Sie nahmen aber auch Wesen und Gestalt von allerlei Getier wie Mücken, Käfer, Grillen, Schaben, Schmetterlinge, Bienen, Vögel, aber auch Affen, Frösche, Raupen (und eben auch Läusen) an. Mehr dazu siehe hier http://juttas-schreibblog.blogspot.com/2009/05/uber-wurmer-die-man-nicht-nur-aus-der.html und hier http://juttas-schreibblog.blogspot.com/2009/06/uber-wurmer-die-man-nicht-nur-aus-der.html

*Es heißt zwar Teutsch-Lateinisches Wörterbuch, aber eine lateinische Übersetzung des Spruches liefert Frisch nicht.

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