Seiten

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Prosit Neujahr …


Heute mal was in eigener Sache. Dieses Gedicht hatte ich letztes Jahr in mein Blog gestellt (http://juttas-schreibblog.blogspot.com/2010/12/prosit-neujahr.html):

Prosit Neujahr

Wenn Champagnerkorken knallen
und die Masken langsam fallen
sich tief drinnen Wünsche regen
alte Damen Karten legen

Wenn hoch droben Monde stehen
Bullen nach den Pappen sehen
Politiker Reden schwingen
Menschen schunkelnd Lieder singen

man beschließt, nie mehr zu rauchen
auch nicht vor dem Chef zu krauchen
und den Dispo schnell zu senken
Bettlern ‘n Euro mehr zu schenken

dann, wenn's Jahr ist am Versinken
will ich, Freunde, auf euch trinken
will vom Himmel Sterne pflücken
und sie euch im Traume schicken

Jutta Miller-Waldner

Eben habe ich danach gegoogelt und war sehr erfreut, als ich mehrere Treffer fand. Not amused war ich allerdings, weil nirgends mein Name erschien, weil der Text geändert und der Titel falsch oder erst gar nicht angegeben wurde. Satzzeichen dürfen nicht eingesetzt werden (und schon gar nicht falsch), wenn der Autor das nicht getan hat. Er hat sich nämlich was dabei gedacht, auch wenn das dem Leser missfällt. Zeilenumbrüche weglassen oder das Gedicht nicht in Strophen aufteilen, geht ja nun gar nicht.

Diese Version ist also falsch:
Man beschließt, nie mehr zu rauchen,
auch nicht vor dem Chef zu krauchen
und den Dispo schnell zu senken,
Bettlern ein paar Eus zu schenken.
Dann, wenn's Jahr ist am Versinken
wollen wir vom Club, ja, auf euch trinken.
Das alte Jahr ist morgen futsch,
für Mitternacht nen guten Rutsch.
Und warum man diese Strophe weglässt, weiß ich auch nicht …
man beschließt, nie mehr zu rauchen
auch nicht vor dem Chef zu krauchen
und den Dispo schnell zu senken
Bettlern ‘n Euro mehr zu schenken
Muss wohl ein Nichtraucher sein oder jemand, der nie, nie, nie seinen Dispo überzieht. Wie schön für ihn.

Trotzdem – all meinen Leserinnen und Lesern dieses Blogs, wo immer Ihr auch seid in der Welt, wünsche ich Saale Nao Mubbarak, З новым годам, 新年快乐, あけましておめでとう, ein frohes Neues Jahr!

Wer wissen möchte, wie man in weiteren 133 Sprachen seine Neujahrswünsche ausdrücken kann, klicke hier: http://juttas-schreibblog.blogspot.com/2010/12/frohes-neues-jahr-in-137-sprachen.html

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Galileis Zitat über die Sprache des Buches der Natur + Google-Suche-Tipp


Ein bekanntes Zitat von Galileo Galilei lautet:

„Das Buch der Natur ist mit mathematischen Symbolen geschrieben“ oder auch

„Die Natur spricht die Sprache der Mathematik: die Buchstaben dieser Sprache sind Dreiecke, Kreise und andere mathematische Figuren.“

Aber beides gibt Galileis Worte nur sehr verkürzt wieder. Genau schreibt er:
La filosofia è scritta in questo grandissimo libro, che continuamente ci sta aperto innanzi agli occhi (io dico l'universo), ma non si può intendere, se prima non s'impara a intender la lingua e conoscer i caratteri, nei quali è scritto. Egli è scritto in lingua matematica, e i caratteri son triangoli, cerchi, ed altre figure geometriche, senza i quali mezzi è impossibile intenderne umanamente parola; questi è un aggirarsi vanamente per un oscuro laberinto.
(Galileo Galilei: Il Saggiatore [Prüfer (mit der Goldwaage); The Assayer]. In Opere di Galileo Galilei, Bd. 2. Bettoni 1832, S. 13)
Die Philosophie ist in diesem großartigen Buch geschrieben, das vor unseren Augen immer offen steht (ich meine das Universum), das man aber nicht begreifen kann, wenn man nicht zuerst lernt, die Sprache zu verstehen und die Buchstaben zu erkennen, in denen es geschrieben ist. Es ist in mathematischer Sprache geschrieben, und seine Buchstaben sind Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren; ohne diese Mittel ist es den Menschen unmöglich, ein einziges Wort zu verstehen; eine vergebliche Wanderung durch ein dunkles Labyrinth. (eigene Übersetzung)
Philosophy is written in this vast book, which continuously lies open before our eyes (I mean the universe). But it cannot be understood unless you have first learned to understand the language and recognise the characters in which it is written. It is written in the language of mathematics, and the characters are triangles, circles, and other geometrical figures. Without such means, it is impossible for us humans to understand a word of it, and to be without them is to wander around in vain through a dark labyrinth.
http://www.philosophy.leeds.ac.uk/GMR/hmp/texts/modern/galileo/assayer.html
Galilei hat die Worte von der Sprache der Mathematik aber noch an anderer Stelle gebraucht, wohl weil sie ihm gefielen, so hier und hier.

Auf http://www.rossaepfel-theorie.de/Quellen_1.htm#Das_Buch_der_Natur wird ausführlich die Recherche nach dem Originaltext beschrieben, allerdings war das 2005, als Google noch nicht so viele Bücher digitalisiert hatte. Danach wurde mit englischen Begriffen gesucht, was ziemlich umständlich war, bis der Originaltext gefunden war. Deshalb werde ich mal aus dem Nähkästchen plaudern und  einen meiner Google-Suche-Tricks am Beispiel dieses Zitats geben.

Zuerst gab ich den Text ohne Anführungszeichen ein, fand jedoch keine Quelle, dafür das Zitat ausführlicher. Ich übersetzte es mit Google-Übersetzer ins Italienische, da ich wusste, dass Galilei in dieser Sprache geschrieben hat* (ich hatte mal dessen sämtliche Werke in Deutsch, Englisch und Italienisch digitalisiert). Die Übersetzung gab ich ohne Artikel und wiederkehrende Wörter bei Google-Büchersuche ein (an dieser Stele mal ein dickes Lob für diese Möglichkeit, ohne sie wäre ich aufgeschmissen), weil man bei der normalen Suche äußerst selten eine Quelle findet. Und siehe da, ich fand den originalen Wortlaut, freundlicherweise gleich mit der deutschen Übersetzung, in diesem Buch. Ich gab wieder bei Google-Büchersuche die ersten Worte des Textes ein, dieses Mal mit Gänsefüßchen, überflog die Suchergebnisse nach der Verfasserangabe „Galilei“ und fand die Quelle. Das waren genau 4 Klicks. Allerdings dauert die Suche länger, weil ich immer wieder auf spannenden Seiten lande, die ich erst einmal studieren muss …

Auf Tinas–Tohuwabohu-Blog werden die besten Suchbefehle bei Google aufgeführt, allerdings verwende ich sie beim Suchen außer dem „-“, das Wörter ausschließt, nie, weil mir das zu kompliziert ist, und finde trotzdem fast alles. Auch die erweiterte Suche verwende ich so gut wie gar nicht.

*Galilei hatte seine Werke bewusst in italienischer Sprache verfasst und nicht in der Gelehrtensprache Latein, weil er wollte, dass ihn auch die breite Masse lesen kann.

Dienstag, 13. Dezember 2011

Über eine arme kleine Idee

Die arme kleine Idee

Es war einmal eine kleine Idee,
Ein armes, schmächtiges Wesen –
Da kamen drei Dichter des Wegs, o weh!
Und haben sie aufgelesen.

Der eine macht' einen Spruch daraus –
Das hielt die kleine Idee noch aus.
Der zweite eine Ballade –
Da wurde sie schwach und malade.
Der dritte wollt sie verwenden
Zu einem Roman in zwei Bänden – –
Dem starb sie unter den Händen!

Otto  Sommerstorff (eigentlich Otto Müller)

Hier irrt sich Ludwig Reiners, der das Gedicht in seiner „Stilkunst: ein Lehrbuch deutscher Prosa“ einem Werner Sommerstorff zuschreibt.  Allerdings schrieb Otto Müller auch unter dem Synonym Sommerstorff, also ohne Vorname, und es mag sein, dass Reiners das Gedicht mit der Verfasserangabe Sommerstorff las und halt Werner, warum auch immer, dazu setzte.

(siehe auch http://juttas-schreibtipps.blogspot.com/search?q=idee)

Mittwoch, 7. Dezember 2011

„Niemand ist eine Insel“ – Allgemeingut oder was?

Spätestens seit Johann Mario Simmels gleichnamigem Buch kennt jeder den Spruch:

„Niemand ist eine Insel“

oder auch 

„Keiner ist eine Insel“,

„Kein Mensch ist eine Insel“

Überhaupt wird der Spruch häufig als Titel verwandt, weil er so zum Allgemeingut geworden ist, dass niemand sich fragt, wer ihn überhaupt geprägt oder ob ihn überhaupt jemand geprägt hat.

Simmel und Jon Bon Jovi sind es jedenfalls nicht, auch wenn Jon ihn in dem Film „About A Boy oder: Der Tag der toten Ente“ mehrfach als Metapher gebraucht:
„Niemand ist eine Insel.“ – „Ja, da hat sie vollkommen Recht.“ – „Ja, vollkommen.“ – „Nein! Hat sie nicht! Es gibt Leute, die sind Inseln! Ich bin eine! Ich bin Ibiza, verdammt noch mal!“
Meiner Meinung nach lebt jeder für sich allein. Und im übrigen finde ich, ist das die einzige Lebensform. Wir leben in einem Inselzeitalter. Vor 100 Jahren musste man sich auf andere Menschen verlassen können. Da hatte keiner n Fernseher, CDs, DVD oder Videos, geschweige denn ne Expresso-Maschine zuhause. Man hatte überhaupt nichts was cool war. Wo hingegen man sich heute ein kleines Inselparadies schaffen kann und mit der richtigen Ausstattung und was viel wichtiger ist, mit der richtigen Einstellung erscheint man sonnig und tropisch und ist geradezu ein Magnet für junge schwedische Touristinnen.
Jeder Mensch ist eine Insel. Und dazu steh ich – aber, zweifelsohne gehören manche Menschen zu Inselketten. Unter der Meeresoberfläche sind sie eindeutig miteinander verbunden.
(Quelle http://177961.homepagemodules.de/t204f23-About-A-Boy-oder-Der-Tag-der-toten-Ente.html)
Auch Simone Rethel hat ihn nicht geprägt (siehe Ge(h)danke, S. 246).

Wer Hemingways Buch „Wem die Stunde schlägt“ gelesen hat, weiß allerdings, von wem der Spruch stammt, weil er ihn als Motto dem Roman vorangestellt hat: von dem englischen Kleriker und Dichter John Donne (1572–1631), und er weiß, woher Hemingway den Titel hat: aus dem gleichen Zitat.
No man is an island entire of itself; every man is a piece of the continent, a part of the main. If a clod be washed away by the sea, Europe is the less, as well as if a promontory were, as well as in a  manor of thy friend’s or of thine own were: any man's death diminishes me, because I am involved in mankind, and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls for thee. 
Niemand ist eine Insel ganz für sich allein. Jedermann ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des festen Landes. Wäscht das Meer eine Scholle fort, wird ganz Europa ärmer, so, als ob eine Landzunge verschlungen würde oder ein Schloss, das deinen Freunden gehört oder dir selbst. Jedermanns Tod macht mich ärmer, denn ich bin hineinverstrickt in die Menschenwelt. Und deshalb verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt. Sie schlägt immer für dich. (Übersetzung Johannes Mario Simmel. In Zweiundzwanzig Zentimeter Zärtlichkeit und andere Geschichten. Droemer Knaur 1979, S. 217, und in einem anderen Zusammenhang in Begegnung im Nebel: Erzählungen. Droemer Knaur1996, S. 60)
Entnommen ist dieses Zitat Donnes berühmter Meditation über „Nunc lento sonitu dicunt, morieris: Now, this bell tolling softly for another, saies to me, Thou must die“ (Nun, da diese Glocke sanft für einen anderen schlägt, sagt sie mir, auch Du wirst sterben).
Perchance he for whom this bell tolls, may be so ill, as that he knowes not it tolls for him; and perchance I may think myself so much better than I am, as that they who are about me, and see my state, may have caused it to toll for me, and I know not that. The church is Catholik, universal, so are all her actions; all that she does, belongs to all. When she baptizes a child, that action concernes me; for that child is thereby connected to that Head which is my Head too, and engraffed into that body, whereof I am a member. And when she buries a man, that action concernes me: all mankind is of one Author, and is one volume; when one man dies, one chapter is not torn out of the book, but translated into a better language; and every chapter must be so translated; God emploies several translators; some pieces are translated by age, some by sicknesse, some by war, some by justice; but God’s hand is in every translation; and his hand shall bind up all our scattered leaves again for that library where every book shall lie open to one another. As therefore the bell that rings to a sermon calls not upon the preacher only, but upon the congregation to come; so this bell calls us al'; but how much more me, who am brought so near the door by this sickness. There was a contention as far as a suit (in which both piety and dignity, religion and estimation, were mingled), which of the religious orders should ring to prayers first in the morning; and it was determined, that they should ring first that rose earliest. If we understand aright the dignity of this bell that tolls for our evening prayer, we would be glad to make it ours by rising early, in that application, that it might be ours, as well as his, whose indeed it is. The bell doth toll for him that thinks it doth; and though it intermit againe, yet from that minute, that that occasion wrought upon him, he is united to God. Who casts not up his eye to the sun when it rises? but who takes off his eye from a comet when that breakes out? Who bends not his ear to any bell, which upon any occasion rings? but who can remove it from that bell, which is passing a piece of himself out of this world? No man is an island, entire of itself; every man is a piece of the continent, a part of the main. If a clod be washed away by the sea, Europe is the less, as well as if a promontory were, as well as if a manor of thy friend’s or of thine owne were: any man’s death diminishes me, because I am involved in mankind; and therefore never send to know for whom the bell tolls; it tolls for thee. Neither can we call this a begging of misery or a borrowing of misery, as though we were not miserable enough of ourselves, but must fetch in more from the next house, in taking upon us the misery of our neighbours. Truly it were an excusable covetousness if we did; for affliction is a treasure, and scarce any man hath enough of it. No man hath affliction enough that is not matured and ripened by it, and made fit for God by that affliction. If a man carry treasure in bullion, or in a wedge of gold, and have none coined into currant money, his treasure will not defray him as he travells. Tribulation is treasure in the nature of it, but it is not current money in the use of it, except we get nearer and nearer our home, heaven, by it. Another man may be sick too, and sick to death, and this affliction may lie in his bowels, as gold in a mine, and be of no use to him; but this bell, that tells me of his affliction, digs out and applies that gold to me: if by this consideration of another’s danger, I take mine own into contemplation, and so secure myself, by making my recourse to my God, who is our only securitie.
(XVII. Meditation. In Devotions Upon Emergent Occasions: Together with Death's Duel. The Echo Library 2008, S. 97 f.)