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Dienstag, 15. März 2011

Über Nietzsche, Byron, Juristen und Seeräuber


Auf so manchen Websites von Juristen findet sich das Zitat »Sollte ich einmal einen Sohn haben soll er etwas Prosaisches werden: Jurist oder Seeräuber« von Lord Byron. Auch Friedrich Nietzsche muss es so beeindruckt haben, dass er in der Morgenröte schrieb:
Die Vorwegnehmenden. – Das Auszeichnende, aber auch Gefährliche in den dichterischen Naturen ist ihre erschöpfende Phantasie: die, welche das, was wird und werden könnte, vorwegnimmt, vorweg genießt, vorweg erleidet und im endlichen Augenblick des Geschehens und der Tat bereits müde ist. Lord Byron, der dies alles zu gut kannte, schrieb in sein Tagebuch: »Wenn ich einen Sohn habe, so soll er etwas ganz Prosaisches werden – Jurist oder Seeräuber. (In Friedrich Nietzsche: Kritische Studienausgabe, hrsg. von Giorgio Colli & Mazzino Montinari. DTV 1999, S. 206)
Das schrieb er aber wohl weniger wegen der Vorschläge »Jurist oder Seeräuber«, sondern eher, weil er sich gegen die Überschätzung der Dichterphantasie wandte.
Um Lord Byrons Worte (und Nietzsche) zu verstehen, sollte man wissen, was Byron, der übrigens eine Vorliebe für Seeräuber hatte, weil sie ein Beispiel für prosaisches Leben waren, am 17. 3. 1814 in sein Tagebuch schrieb:
What the devil had I to do with scribbling? But an’ it were to do again, I should write again, I suppose. Such is human nature, at least my share of it; though I shall think better of myself if I have sense to stop now. If I have a wife, and that wife has a son – by any body – I will bring up mine heir in the most anti-poetical way – make him  lawyer, or a pirate, or – any thing. But if he writes too, I  shall be sure he is non of mine, and cut him off with a bank token. (In Thomas Moore: Letters and Journals of Lord Byron. Galignani 1830,  S. 173)
Ja, Byron ging soweit, dass er die Reimerei nur als einen »poetical humbug« ansah (I have no poetical humbug about me; I am too old for that.; siehe The London Literary Gazette and Journal of Belles Lettres, Arts, Sciences &c. 1830, S. 411)

Einen Sohn hat Byron allerdings meines Wissens nicht gehabt …

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