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Sonntag, 26. Februar 2012

Woher kommt eigentlich die Redewendung „Von etwas Wind bekommen“ (+ Google-Recherchetipp)


Zuerst einmal: Die Redewendung ist sehr alt. Im Abenteuerlichen Simplicissimus aus dem Jahr 1669 finden sich die Worte:
Sobald sie aber Wind bekamen, daß der Zar mich im Land zu behalten entschlossen und mich hierzu dringen wollte, wurden sie alle zu Stummen an mir (…). (S. 527)
Daniel Casper von Lohenstein verwendet sie im 1689 erschienenen Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann gleich zweimal:
Den ersten Augen-Blick aber/ da ich von der Deutschen wider die Römische Dienstbarkeit rühmlich-gefaßten Entschlüssung nur wenig Wind bekommen/ habe ich vorsätzlich das ewige Feuer ausgelescht (S. 72),
und
Weil aber die Römer gleichwol hiervon Wind kriegten/ oder zum minsten Argwohn schöpfften  (…) (S. 809)
Und 1840 schreibt Ernst Moritz Arndt in Erinnerungen aus dem äußeren Leben:
Diese hatten von der für uns unglücklich ausgefallenen Schlacht vor Dresden Wind bekommen, und fingen* an lose Reden zu führen, und auf die Thürme und Dächer zu klettern, um zu sehen, ob ihre siegreichen Heere nicht heran marschieren: denn davon hatten sie gemunkelt, daß diese, ihren Napoleon an der Spitze, bald wieder in Schlesien seyn würden. (S. 206). –
Ein Recherchetipp: Verlassen Sie sich nicht auf Zeno.org  oder das Projekt Gutenberg, sondern suchen Sie immer bei der Google-Büchersuche nach der Originalquelle, weil es zu Übertragungsfehlern kommen kann. So heißt es bei Zeno „und singen an lose Reden zu führen“, weil das f in älteren Drucken oft mit dem Lang-s   verwechselt wird. –

Es gibt aber auch die etwas ungewöhnlichen Ausdrücke „Wind vernehmen“ (siehe dazu die Überlegungen in Dichter/ leben), so in einem Volkslied oder auch Triumphlied aus dem  dreißigjährigen Krieg:
Die beiden Potentaten gschwind,
Da sie nu vernahmen den Wind
von des Tilly Crabaten*
*Croaten
und „Wind haben“. So schreibt Friedrich von Logau (1605–1665) in seinem Sinngedicht Einfältige Jungfrauen:
Jungfern, wann sie mannbar sind, wollen dennoch gar nicht wissen,
Was ein Mann sey für ein Ding, wie ein Mann sey zu genießen;
Weil sie aber meistens doch lieber jung’ als alte nehmen,
Fehlt es nicht, sie haben Wind, was dabey sey für Bequemen.
Es wird angenommen, dass die  Redewendung aus der Jägerei stammt (siehe http://de.wiktionary.org/wiki/von_etwas_Wind_bekommen). So heißt es auch in dem Buch Der vollkommene teutsche Jäger aus dem Jahr 1749 von den Fisch-Ottern:
Sie thun des Nachts nach denen Fisch-Bächen weitläufftige Gänge und geben genau Acht, so sie Wind von denen Menschen vernehmen, schiessen sie alsobald unter das Wasser (…) (S. 113)
Doch laut Die Deutsche Sprache aus ihren Wurzen (S. 460) leitet sich „etwas wittern, Wind davon bekommen“ von dem Wort Wetter ab (siehe auch das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm http://woerterbuchnetz.de/DWB/?lemma=wittern). Laut Adelungs Grammatisch-kritischem Wörterbuch der hochdeutschen Mundart ist in „der Schweiz (…) Nachwind so viel als Nachricht“ (S. 1553). Und im Mittelhochdeutschen bedeutet wint Luft, Geruch, Duft. Mehr dazu siehe Die teutsche Sprache aus ihren Wurzen, S. 451 ff., besonders aber S. 489.

Tatsächlich beruht aber  „Wind von etwas bekommen“ auf der Übersetzung des lateinischen Wortes odorari (von odor oder altlateinisch odos = durch den Geruchssinn empfinden, empfinden, spüren, merken), das dichterisch wittern (= ahnen, vermuten) bedeutet und im übertragenen Sinne etwas ausspüren, erforschen, bemerken, (meist geringschätzig beziehungsweise umgangssprachlich) Wind von etwas bekommen.

Sollten Sie davon Wind bekommen, dass meine Ausführungen nicht ganz richtig sind oder dass es eine bessere Quelle für die Herkunft dieser Redensart gibt, dann schreiben Sie mir bitte.

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