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Samstag, 30. April 2011

Jedem Tierchen sein Pläsierchen


Als ich auf meiner Lieblingsfrageseite P.M.BesserWissen die Frage las, von wem das Zitat
Jedem Tierchen sein Pläsierchen (auch Ein jedes Tierchen hat sein Pläsierchen, Jedem Dierche sin Pläsierche, Jedem Virchen sein Pläsierchen)

Trahit sua quemque voluptas.
Each man is led by his own taste.
Chacun est entraîné par son penchant.
Všetci sme otrokmi svojich vášní.
Alla har sina nöjen.
ursprünglich ist, war ich verwundert. Dachte ich doch, dass das eine scherzhafte Redewendung ist. Doch in dem guten alten Wälzer, den Geflügelten Worten von Georg Büchmann (Haude & Spener 1964), wurde ich schnell fündig.

Merkwürdig ist nur, dass er zwei verschiedene Quellen angibt, ohne zu der jeweils anderen Quelle zu verweisen. Die eine lautet, dass diese Redensart auf die 1887 erschienene humoristische Gedichtsammlung „Ein jedes Thierchen hat sein Pläsierchen – Zoologischer Liedergarten“ des sächsischen Dialektdichters Edwin Bormann mit Illustrationen von Adolf Oberländer zurückgeht. Auf die eigentliche Quelle dieses Spruchs verweist jedoch der andere Hinweis: Das Zitat ist aus dem Gedicht „Ecloga Secunda“ von Vergil und lautet „Trahit sua quemque voluptas“ (Vers 65). (In Publii Vergilii Maronis Bucolicon Eclogae Decem (Zehn erlesene Idyllen). Hammerich 1797, S. 50; das Gedicht in Latein mit deutscher Übersetzung gibt es hier.)

Die Übersetzung lautet eigentlich „So reißt jedweden sein Trieb hin“, „Einen jeden reißt seine Leidenschaft hin“ oder auch „Jeder reitet sein Steckenpferd“, je nachdem, wie man voluptas = Vergnügen, Freude, Lust, Genuss, auch Steckenpferd, übersetzt. Daraus wurde „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“. Im Deutschen Sprichwörter-Lexikon von Karl Friedrich Wilhelm Wander bedeutet „Trahit sua quemque voluptas“ „Jeder hat sein Steckenpferd, das ist ihm über alles werth“ (http://www.zeno.org/Wander-1867/A/Steckenpferd).

„Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ heißt es auch in der deutschen Fassung vom Don Quijote (siehe Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote von der Mancha. Hansa 2008, S. 292).

Im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm steht „sprichwörtlich (in Sachsen) ein jedes thierchen hat sein pläsierchen“. Das mag schon sein, aber offensichtlich haben sie nicht ausgiebig recherchiert.

Interessant ist in dem Zusammenhang, dass im Niederdeutschen das Wort „tierensich geberden, sich läppisch anstellen, benehmen bedeutet (He tierd sück as ‘n Kalb = Benimmt sich läppisch; siehe http://www.operone.de/spruch/0573.html), und laut der Ökonomisch-technologischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz von 1844 bedienen sich bei „guter Laune“ „Eheleute, auch Geliebte, Eltern gegen Kinder etc.“ des Schmeichel-/Scherzausdrucks Thierchen (S. 266).

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